Erste Tätigkeitsstätte - Definition

Von Olga Prosvetova Olga Prosvetova Selbstständige Steuerberaterin mit langjähriger Erfahrung in diversen kleinen und mittelständischen Steuer-Kanzleien. • Veröffentlicht am 29.03.2022- zuletzt aktualisiert am 28.02.2023

Alle Fakten zum Thema: Erste Tätigkeitsstätte

  • Jeder Arbeitnehmer kann pro Dienstverhältnis nur eine Tätigkeitsstätte haben
  • Der Arbeitgeber ordnet jedem Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte zu
  • Fahrten von der Wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte können mit der Entfernungspauschale angesetzt werden
  • Fahrten, ohne das Vorhandensein einer ersten Tätigkeitsstätte, stellen Reisekosten dar
  • Home-Office begründet keine erste Tätigkeitsstätte
  • Fahrten mit einem Dienstwagen zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sind als geldwerter Vorteil zu versteuern

Der Großteil der Arbeitnehmer pendelt tagtäglich von der Wohnung zum Büro. D.h. Sie haben eine feste Tätigkeitsstätte, von wo aus sie ihre Arbeit verrichten. Durch das tägliche Pendeln entstehen dem Arbeitnehmer, unabhängig vom Verkehrsmittel, gewisse Kosten. Um diesen Umstand etwas abzumildern, sieht der Gesetzgeer vor, dass die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte steuerlich geltend gemacht werden können (vgl. Entfernungspauschale).

Was bedeutet erste Tätigkeitsstätte?

Der Begriff der ersten Tätigkeitsstätte ist in §9 Abs. 4 EStG definiert. Demnach ist die erste Tätigkeitsstätte »die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist.“ Die Zuordnung erfolgt durch den Arbeitgeber und zwar nach dienst- und arbeitsrechtlichen Festlegungen. Wichtig ist dabei das Kriterium der Dauerhaftigkeit. Eine dauerhafte Zuordnung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer unbefristet oder mindestens 48 Monate an der Tätigkeitsstätte tätig werden soll, §9 Abs. 4 Satz 3 EStG.

Es ist eine Prognose anzustellen. D.h. man muss davon ausgehen, dass die Tätigkeit auf Dauer angelegt ist. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer während des Dienstverhältnisses einer anderen Tätigkeitsstätte zugeordnet werden könnte, führt nicht zur Annahme einer nur befristeten Zuordnung.

Zuordnung der ersten Tätigkeitsstätte außerhalb des Dienst- und Arbeitsvertrages

Fehlt es an einer dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegung, so gilt als erste Tätigkeitsstätte »die betriebliche Einrichtung an der der Arbeitnehmer dauerhaft

  • typischerweise arbeitstäglich tätig werden soll oder
  • je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll«, § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG (quantitative Zuordnung).

Ein gelegentliches oder gar regelmäßiges Aufsuchen einer betrieblichen Einrichtung, z.B. zum Be- und Entladen, zur Fertigung von Berichten, zur Wartung, zur Abgabe von Stundenzetteln etc. führt nicht zur Annahme einer ersten Tätigkeitsstätte.

Gleichzeitig kann die Zuordnung des Mitarbeiters auch außerhalb des Dienst- und Arbeitsvertrags erfolgen (auch wenn die dienst- oder arbeitsrechtliche Zuordnung vorrangig sind). Dies kann also beispielsweise mündlich oder konkludent erfolgen. Diese Zuordnungsentscheidung muss auch nicht separat dokumentiert werden. Die Zuordnungsentscheidung ergibt sich vielmehr aus Protokollnotizen, Einsatzplänen, dienstrechtlichen Verfügungen etc.

Mehrere Tätigkeitsstätten

Im Grundsatz kann jeder Arbeitsnehmer nur eine erste Tätigkeitsstätte je Dienstverhältnis haben. Dessen ungeachtet kann ein Arbeitnehmer aufgrund von mehreren Dienstverhältnissen auch mehrere erste Tätigkeitsstätten haben. Erfüllen mehrere betriebliche Einrichtungen in einem Dienstverhältnis die Kriterien einer ersten Tätigkeitsstätte, kann der Arbeitgeber die erste Tätigkeitsstätte bestimmen.

Was bedeutet Sammelpunkt im Bezug auf die erste Tätigkeitsstätte?

Erfüllt keine betriebliche Einrichtung die Kriterien einer ersten Tätigkeitsstätte und wird durch den Arbeitgeber bestimmt, dass sich der Arbeitnehmer an einem bestimmten festen Ort bzw. Treffpunkt einfindet, von dem aus die berufliche Tätigkeit an unterschiedlichen Einsatzorten erfolgen soll, so handelt es sich um einen so genannten »Sammelpunkt«. Die Fahrten von der Wohnung zum Sammelpunkt sind dabei wie Fahrten von der Wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte zu behandeln.

Wie verhält sich die erste Tätigkeitsstätte bei befristete Arbeitsverhältnisse, Leiharbeit?

Befristete Arbeitsverhältnisse, die vor Ablauf der Befristung schriftlich durch bloßes Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes verlängert werden, führen zu einem einheitlichen Beschäftigungsverhältnis. Die dauerhafte Zuordnung ist ab dem Zeitpunkt der Verlängerung zu beurteilen.

Bei den Leiharbeitnehmern spielt § 1 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. Abs. 1b Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, wonach Leiharbeitnehmer höchstens für 18 Monate überlassen werden dürfen, steuerlich keine Rolle. Eine dauerhafte Zuordnung ist demnach dann gegeben, wenn der Leiharbeitnehmer »bis auf Weiteres« also für die gesamte Dauer des Leiharbeitsverhältnisses in einer betrieblichen Einrichtung des Entleihers tätig werden soll.

Erste Tätigkeitsstätte Homeoffice

Es gibt zahlreiche Mitarbeiter, die teilweise oder ausschließlich im Homeoffice arbeiten. Grundsätzlich gilt: das Home-Office begründet keine erste Tätigkeitsstätte. Dies liegt unter anderem daran, dass das Home-Office keine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers ist. Eine erste Tätigkeitsstätte ist aber als eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers definiert.

Bei Arbeitnehmern, die nur zum Teil im Home-Office arbeiten, kommt es auf die dauerhafte Zuordnung an (siehe oben). Auch die Tatsache, dass viele Arbeitnehmer während der Corona-Krise im Home-Office arbeiten, begründet Zuhause keine erste Tätigkeitsstätte.

Hierzu hat der BFH bereits im Jahr 2013 eine Entscheidung gefällt. Demnach liegt auch dann keine erste Tätigkeitsstätte vor, wenn der Arbeitgeber einen Raum vom Arbeitnehmer anmietet und ihm diesen wiederum zur beruflichen Nutzung überlässt. Auch handelt es sich in diesem Fall nicht um eine Betriebsstätte des Arbeitgebers. Denn es gibt keine räumliche Trennung zwischen privater und beruflicher Sphäre des Arbeitnehmers.

Die vorgenannten Ausführungen haben damit folgende Konsequenzen: jede Fahrt, die ein Arbeitnehmer nach Verlassen der Wohnung tätigt, ist als beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit zu beurteilen. Mit der Folge, dass die Entfernungspauschale auf die Hin- und Rückfahrt anzuwenden ist. Nutzt der Arbeitnehmer einen Firmenwagen, so ist die 0,03% bzw. 0,002%-Regelung für die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte nicht anzuwenden.

Erste Tätigkeitsstätte und Firmenwagen

Ist der Arbeitnehmer einer ersten Tätigkeitsstätte zugeordnet und überlässt ihm der Arbeitgeber einen Firmenwagen für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte, so stellt dies einen geldwerten Vorteil dar. Dieser geldwerte Vorteil ist monatlich mit 0,03% des inländischen Bruttolistenpreises für je einfachen Kilometer zu versteuern. Die 0,03%-Regelung ist unabhängig von der 1%-Regelung anzuwenden, wenn der Dienstwagen für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte genutzt werden darf.

Alternativ können die tatsächlich gefahrenen Arbeitstage mit 0,002% angesetzt werden (Einzelbewertung). Dabei dürfen maximal 180 Tage angesetzt werden. Sofern der Arbeitnehmer diese Alternative bevorzugt, hat er dies dem Arbeitgeber monatlich mitzuteilen (unter Angabe der einzelnen Tage, mit Datum). Die bloße Angabe einer Anzahl der gefahrenen Tage ist nicht ausreichend. Der Arbeitgeber legt diese Unterlagen dem Lohnsteuerabzug zugrunde.

Lohnsteuer-Pauschalierung

Der geldwerte Vorteil wird beim Arbeitnehmer mit 15% Lohnsteuer pauschaliert. Der sich so ergebene Betrag ist der Höhe nach auf die in der Einkommensteuererklärung anzusetzende Entfernungspauschale begrenzt.

Zu beachten ist folgendes: der geldwerte Vorteil ist selbst dann anzusetzen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung nicht arbeitstäglich zur ersten Tätigkeitsstätte fährt. Dies war insbesondere während der Corona-Pandemie bei Home-Office oder Kurzarbeit der Fall. Dennoch beharrte die Finanzverwaltung darauf den geldwerten Vorteil anzusetzen.

Die Entscheidung, ob die 0,03%- oder die 0,002%-Regelung anzuwenden ist, muss für das gesamte Kalenderjahr einheitlich festgelegt werden. Diese Festlegung kann aber im laufenden Kalenderjahr (vor Ausstellung der Lohnsteuerbescheinigung) geändert werden.

Fahrzeugpool, gelegentliche Überlassung

Stehen den Arbeitnehmern mehrere Fahrzeuge zur Verfügung, so wird der geldwerte Vorteil mit 0,03% der Listenpreise aller verfügbaren Fahrzeuge ermittelt und durch die Anzahl der Arbeitnehmer, die diese nutzen, geteilt. Der so ermittelte Wert ist mit der Anzahl der jeweiligen Kilometer des jeweiligen Arbeitnehmers zu multiplizieren.

Bei einer nur gelegentlichen Nutzung ist der geldwerte Vorteil für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte dennoch anzusetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer einen ganzen Kalendermonat kein betriebliches Fahrzeug genutzt hat oder das Fahrzeug nur gelegentlich, d.h. in Einzelfällen nutzt. In diesem Fall ist eine Einzelbewertung vorzunehmen, d.h. der geldwerte Vorteil ist mit 0,001% des inländischen Listenpreises je einfachen Kilometer anzusetzen.

Stehen einem Arbeitnehmer mehrere Fahrzeuge zur Verfügung, so ist bei der Ermittlung des geldwerten Vorteils für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte der Listenpreis des für diese Fahrten überwiegend genutzten Fahrzeugs zugrunde zu legen.

Familienheimfahrten mit einem Firmenwagen

Überlässt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Firmenwagen, den dieser für die wöchentlichen Familienheimfahrten nutzen darf, so ist zunächst kein Nutzungswert zu erfassen. Wird der Firmenwagen für mehr als eine wöchentliche Familienheimfahrt genutzt, ist der geldwerte Vorteil mit 0,002% des inländischen Listenpreises für jeden Kilometer der einfachen Strecke anzusetzen.

Erste Tätigkeitsstätte: Urteile / Rechtssprechung

Postzusteller

Das Zustellzentrum eines Postzustellers in dem dieser vor- und nachbereitende Tätigkeiten (Sortieren, Abrechnen etc.) verrichtet, gilt als erste Tätigkeitsstätte, BFH Urteil v. 30.09.2020 – VI R 10/19.

Rettungssanitäter

Die Rettungswache, in der der Rettungssanitäter vor dem Einsatz vorbereitende Tätigkeiten durchführt und der er zugeordnet ist, gilt für ihn als erste Tätigkeitsstätte, BFH Urteil v. 30.09.2020 – VI R 11/19.

Fliegendes Personal (Piloten, Flugbegleiter)

Für fliegendes Personal, welches vom Arbeitgeber einem Flughafen dauerhaft zugeordnet ist und dort in gewissem Umfang Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Flugvor- und -nachbereitung verrichtet, gilt dieser Flughafen als erste Tätigkeitsstätte, BFH Urteil v. 11.04.2019 – VI R 40/16.

Streifenpolizist

Ein Polizeibeamter verfügt an seinem Dienstsitz (sofern er diesem zugeordnet wurde) über eine erste Tätigkeitsstätte, sofern er diesen arbeitstäglich aufsucht und dort bestimmte Tätigkeiten, die er dienstrechtlich schuldet, verrichtet, BFH Urteil v. 04.04.2019 – VI R 27/17.

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